Den Verlauf des Burnouts kann man in 12 Phasen einteilen (nach Freudenberger & North). Natürlich ist das nur eine theoretische Beschreibung eines häufigen Verlaufs des Burnouts, weder müssen die einzelnen Phasen bei jedem Betroffenen auftreten noch in dieser Reihenfolge. Auch können sich einzelne Stufen überlappen bzw. ineinander übergehen. Und doch finde ich dieses Modell ziemlich hilfreich, weil es Betroffenen die Möglichkeit einer Selbsteinschätzung bietet.
Phase 1: Der Zwang sich zu beweisen
Häufiger Einstiegsfaktor in den Burnout-Zyklus ist übersteigerter Ehrgeiz, hohe Erwartungen an sich selbst und Perfektionismus. Der Betroffene möchte seine Sache besonders gut machen und der Wunsch sich zu beweisen, verwandelt sich in Zwang und Verbissenheit. Es fängt langsam an, dass ein normales Pensum in üblicher Zeit schwierig wird.
Phase 2: Verstärkter Einsatz
Es wird ein verstärkter Einsatz gezeigt, um den sich selbst gesetzten Anforderungen gerecht zu werden. Häufig ist dies verbunden mit der Idee alles selbst und insbesondere dringlich machen zu müssen, der freiwilligen Übernahme von Mehrarbeit und einem Gefühl der Unentbehrlichkeit. Um das gleiche Pensum an Arbeit zu erledigen zu können, muss mehr Energie eingesetzt werden. Trotzdem sinkt häufig der Output und es werden häufiger kleine Fehler gemacht.
Phase 3: Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
Betroffene empfinden die Arbeitsbelastung als normal und beschreiben diese sogar als angenehm. Eigene Bedürfnisse werden als sekundär empfunden und immer mehr vernachlässigt (Essen, Trinken, Pausen, Schlafen, soziale Kontakte, Familie etc.). Der Lebensstil wird zunehmend ungesünder und es treten erste kleine Fehlleistungen auf. Einige Betroffene haben gelegentlich Schlafstörungen.
Phase 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
Es entstehen immer häufiger Konflikte mit der Familie, Freunden und Arbeitskollegen. Diese werden verdrängt, genauso wie erste körperliche Auswirkungen, Energiemangel, Schwächegefühl und häufig Schlafmangel. Die eigenen Bedürfnisse geraten immer mehr in den Hintergrund, das Privatleben findet immer eingeschränkter statt. Fehlleistungen wie vergessene Termine, Ungenauigkeit, Nichterledigung von versprochenen Aufgaben, Unpünktlichkeit, sonstige Fehler etc. häufen sich.
Phase 5: Umdeutung von Werten
In dieser Phase verlieren die privaten Bedürfnisse und alles, was nicht zur Arbeit gehört, immer mehr an Bedeutung. Es erfolgt eine Umdeutung der Werte und häufig werden Arbeit und Leistung als Erfüllung definiert. Personen, Freizeitbeschäftigungen und Dinge, die vorher dem Betroffenen wichtig waren, treten hinter die Arbeit zurück. Private Kontakte, vor allem die, die als Belastung empfunden werden, werden vermieden. Es treten immer mehr Probleme und Konflikte im privaten Umfeld mit Partner und Familie auf.
Phase 6: Verleugnung der Probleme
Der Verzicht auf die eigenen Bedürfnisse und sozialen Kontakte wird häufig gar nicht mehr wahrgenommen. Es gibt keine Zeit mehr für andere Menschen und Betroffene kapseln sich immer mehr ab. Anderen Menschen begegnen Betroffene häufig mit Härte, Intoleranz und Zynismus. Die Überlastung und Überarbeitung wird zunehmend verleugnet. Immer mehr körperliche Beschwerden und Leistungseinbußen werden immer deutlicher.
Phase 7: Rückzug
In dieser Phase stellt sich eine Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit ein, die häufig verdeckt wird durch eine zynische, nach Außen scheinbar unveränderte Haltung. Es erfolgt immer mehr ein sozialer Rückzug. Soziale Kontakte mit Partner, Familie und Freunde werden als Belastung empfunden und oft sogar als feindlich erlebt. Kritik wird nicht mehr ertragen. Um sich eine Freude zu machen, stürzt man sich in Ersatzbefriedigungen (Essen, Alkohol, Drogen, Spielen, Sex etc.). Beruflich leisten Betroffene oft nur noch Dienst nach Vorschrift.
Phase 8: Verhaltensänderung
Ab dieser Phase werden Verhaltensänderungen der Betroffenen unübersehbar. Hierzu können z.B. die Abwehrhaltung gegenüber Kritik oder auch gut gemeinte Zuwendung , zunehmender emotionaler Rückzug vom Arbeitsalltag und von sozialen Kontakten, Gleichgültigkeit gegenüber dem sozialen Leben und eine zunehmen verringerte Produktivität gehören. Die neue Realität des Betroffenen wird als die wahre Realität wahrgenommen und ihnen wird zunehmen alles egal.
Phase 9: Depersonalisation
Menschen in dieser Phase haben das Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein und empfinden alles als sinnlos. Häufig entsteht ein Wahrnehmungsverlust der eigenen Person, was dazu führt, dass eigene Bedürfnisse nicht mehr erkannt werden. Sie vernachlässigen ihre eigene Gesundheit und wissen nicht mehr, was gut und heilsam für sie ist – sie funktionieren nur noch.
Phase 10: Innere Leere
In dieser Phase fühlen die Betroffenen sich völlig nutzlos, mutlos, leer und sind häufig ängstlich bis hin zu panisch. Phobien und Panikattacken sind möglich. Betroffene fühlen sich einsam und haben das Gefühl des inneren Abgestorbenseins. Suchtverhalten tritt auf zur exzessiven sinnlichen Befriedigung (Kaufräusche, Fressattacken, exzessiver Sex ohne wirklich Befriedigung etc.).
Phase 11: Depression
Die letzten Phasen sind durch zunehmende Sinnlosigkeit und Desinteresse geprägt, einhergehend mit Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Selbsthass, Erschöpfung, dem Wunsch nicht mehr aufwachen zu müssen und Suizidgedanken. Initiative und Motivation sind auf dem Nullpunkt.
Phase 12: Völlige Erschöpfung
In dieser Phase kommt es zum körperlichen, psychischen und emotionalen Zusammenbruch. Neben einer totalen Erschöpfung, können einzelne Organe oder der gesamte Organismus betroffen sein (z.B. Immunsystem, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen). Es handelt sich nun um einen absoluten Notfall, da dies lebensbedrohend sein kann. Auch in diesem Stadium besteht eine hohe Selbstmordgefahr.
Mit diesem Phasenmodell kann ein Betroffener eine erste Selbsteinschätzung vornehmen und erkennen, in welcher Phase er sich befindet und was vermutlich noch passieren würde, wenn er keine Veränderung vornimmt.
Wichtig ist eine körperliche, ärztliche Untersuchung, um festzustellen, wieweit schon körperliche Veränderungen vorliegen, um dann auch von der medizinischen Seite den Veränderungsprozess mit entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen.
Die ersten drei Phasen können situativ immer wieder einmal auftreten. Wenn derartige Verhaltensweisen aber längere Zeit andauern, kann ein Coaching hilfreich sein, um neue Strategien für die Lebensführung und dem Umgang mit Stress zu entwickeln.
Ab Phase 4 beginnt der mit jeder Phase immer stärker werdende Rückzug auch im privaten Bereich. Häufig fällt dem Umfeld aber nicht auf, das etwas nicht stimmt, da dies häufig als Desinteresse interpretiert wird. Oft wird er Umwelt erst in Phase 8 bewusst, dass wirklich etwa nicht stimmt, da die Betroffenen dann häufig massive Verhaltensänderungen zeigen. Leider ist es dann häufig zu spät, da die Betroffenen die Probleme immer mehr verdrängt haben und keine Hilfe von außen annehmen wollen.
Ab Phase 5 sollte eine Psychotherapie in Erwägung gezogen werden, da hier die Betroffenen ihre Werte anfangen umzudeuten.